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Merkmale einer Kurzgeschichte – Diese 10 musst du kennen!

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Kurzgeschichten gehören zu den bekanntesten Textsorten überhaupt. Du bist ihnen sicher schon häufig begegnet.

Doch wie genau erkennt man eine Kurzgeschichte und wie grenzt man sie von den vielen anderen Textsorten ab?

Das schauen wir uns anhand von 10 Merkmalen der Kurzgeschichte und einem Beispiel dazu jetzt genauer an!

Die Kurzgeschichte ist eine literarische Gattung, die sich durch einen sehr kurzen Text auszeichnet. Der Inhalt dieser Prosaform ist dabei auf das Wesentliche beschränkt.

Häufig konzentriert sich die Kurzgeschichte auf Alltagssituationen, die allgemeingültige Wahrheiten darstellen.

Der Ursprung dieser Textsorte entstammt aus der amerikanischen Short Story.

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10 Merkmale einer Kurzgeschichte

Die Kurzgeschichte reiht sich neben Kurzromanen, Novellen, Anekdoten, Märchen, Parabeln und Fabeln ein. Aber was genau zeichnet die Textsorte aus?

Hier sind 10 Merkmale, anhand derer du die Kurzgeschichte erkennst:

Kurzer Text

Wie der Name verrät, sind Kurzgeschichten zunächst einmal kurz. Meist überschreiten sie einen Umfang von einer bis drei Seiten nicht.

Vorsicht: In einzelnen Fällen begegnest du auch Kurzgeschichten, die zum Beispiel über 30 Seiten lang sind.

Direkter Einstieg

Du findest selten eine Einleitung in das Geschehen. Meistens steigst du direkt in die Situation ein.

Wenig Informationen über die Umwelt

Die Kurzgeschichte enthält keine ausführlichen Informationen zu den einzelnen Figuren oder den Schauplätzen. Du weißt also oft nicht, wo die Geschichte eigentlich spielt.

Das Drumherum musst du dir selbst durch zum Beispiel eingesetzte Metaphern oder Leitmotive erschließen.

Alltagsthemen

Die behandelten Themen, Fragen und Probleme stammen meistens aus dem Alltag. Du begegnest ihnen selber vermutlich häufig in ähnlicher Form.

Alltagspersonen

Die Figuren, die in Kurzgeschichten vorkommen sind überwiegend ganz normale Alltagspersonen. Helden findest du nicht sehr oft.

Ein Handlungsstrang

Es gibt nur einen Handlungsstrang mit wenigen Charakteren. Außerdem werden häufig nur wenige Minuten oder Stunden betrachtet.

Personaler Erzähler

In Kurzgeschichten wird oft von der personalen Erzählperspektive Gebrauch gemacht.

Alltagssprache

Die Sprache, die im Text verwendet wird, ist knapp und präzise. Es wird sich dabei auf das Wesentliche beschränkt.

Oft wird sogar Umgangssprache benutzt.

Pointe

Gegen Ende der Geschichte findet sich ein überraschender Wendepunkt, das ist die Pointe.

Offenes Ende

Kurzgeschichten werden gerne mit einem offenen Ende abgeschlossen. Das heißt es gibt keine Auflösung. Du als Leser denkst stattdessen selber weiter.

Beispiel für eine Kurzgeschichte

Lies dir nun als Beispiel die Kurzgeschichte Deutschstunde durch.

Treffen alle 10 Merkmale auf diese Geschichte zu?

Deutschunterricht (2016) – Bob Blum

„Der Einstieg der Kurzgeschichte ist immer plötzlich, merkt euch das!“ Die Kälte war aus den undichten Fenstern in seinen Nacken gekrochen. Ganz hinten, wo er und Jana saßen, war es besonders schlimm. In den Augenwinkeln sah er, dass auch sie fror. Die hellen Haare auf ihren Armen standen nach oben.

„Was habe ich gerade gesagt?“
Herr Sternbergers Brust bebte. Er schritt gemächlich nach hinten, den Blick nicht von ihm gelassen. Seine Cordhose sah aus wie drei Erdschichten.

„Brauchen Sie eine Extraeinladung?“

Paul blickte am Lehrer vorbei, auf die Tafel. Sie war mit unleserlichen Zeichen beschriftet. Etwas Mathe vom Vortag, ein paar englische Vokabeln. Sternbergers Gesicht strahlte fröhlich. Kleine Äderchen zogen sich über die roten Backen vorbei bis zur furchigen Stirn. Die Augen verdrehten sich immer leicht, wenn er versuchte, ein Ziel zu fixieren. Deshalb fokussierte er immer nur wenige Sekunden, um sich dann scheinbar aus Zufall wieder wegzudrehen. Tat er dies, lachten die Schüler ihn aus und taten so, als habe jemand einen Witz gemacht.

Paul konnte seinen Atem sehen, als er ansetzte.

„Plötzlich!“, sagte Paul wie gehaucht.

„Seien Sie lauter, Mensch. Alle wollen hören, was Sie gesagt haben.“

Die anderen hören nichts. Sie starren gelangweilt auf kleine Kritzeleien vor ihnen, die sie während Sternbergers Monolog angefertigt haben. Nur Kreise und Ecke, mal eine unzüchtige Figur dazwischen, nichts Weltbewegendes.

„Plötzlich, Herr Sternberger! Kurzgeschichten beginnen plötzlich.“

„Warum denn nicht gleich so, Lustig?“, fragte Sternberger aber wartet die Antwort schon nicht mehr ab. Er betont den Namen, wie er es mag. Meistens, als habe er damit einen Witz gemacht. Er beginnt langsam und geschwollen, mit viel Schwere auf der ersten Silbe, danach gleitet seine Stimme nach oben, als wolle er ihm eine Frage stellen.

„Was will der Autor mit diesem Einstieg erreichen?“

Die Blicke der Klasse schweifen ins Leere. Jana sitzt weiter neben ihm und friert. Fror schon immer. Viele sagen, dass sei so bei Mädchen. Aber auch er friert. Er fixiert Sternberger, um sich abwenden zu können.

„Sprecht darüber mit euren Nachbarn.“

Paul schielt herüber. Aber Jana hat sich schon zu einer Dreierreihe gedreht. Es würde nicht lohnen, sich anzuschließen. Vielleicht wäre es wärmer? Er dreht sich zum Fenster.

Der Schnee liegt auf den Bäumen wie ein Meer von Blüten aus einer Welt, in der es kein Dunkel gibt. Die Häuser stehen fest im Boden und stoßen Leben aus. Der Rauch vor dem Schnee – eine Schattierung von Menschen. Aber ohne sie? Die Bäume weiter hinten sind in weiß getaucht. Sie suchen sich, stehen nah beieinander. Aber man sieht nicht, welches der wichtigste Baum ist. Alle sind gleich. Dunkeltannengrün. Wenn man jetzt durch den Wald streifen würde, wäre es sehr still. Schnee schluckt die Farben und die Töne. Die Tiere des Waldes sind im Winterschlaf oder im Süden. Der Weg ihrer Freiheit.

„Zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen? Paul Witzig?“

Eine Gruppe ansprechen und einen meinen. Lehrerfolter. Herr Sternberger steht breitbeinig und lächelt ins nichts. Einige drehen sich weg, lachen. Er denkt, er sei lustig. Alle wissen: Er ist es nicht.

„Ich habe noch nicht zu Ende gedacht“, sagt Paul. Janas Gesicht neben ihm verzerrt sich. Sie prustet gleich los, darf es sich nicht erlauben.

„So wird das nichts mit dem Abschluss“, sagt Sternberger und fügt an: „So kann das nichts werden.“

Paul sagt nichts. Er hofft, dass er nun für den Rest der Woche seine Ruhe hat. Dass er nicht gefragt wird, von Sternberger und all den anderen, die ihm sagen, dass das nichts wird. Als er noch Fragen hatte über alles, was ihn interessierte, da war es anders. Aber die Fragen waren weg. Oder bei anderen. Und Antworten hatte er noch nie gehabt.

Die Klingel riss alle wie mit einer durchsichtigen Schnur nach oben. Sie fielen wie im Sturz aus der Klasse heraus, laut tönend und tollend, was nun, endlich, da die Schule vorbei sei, anstünde.

Paul atmete tief durch und verfolgte den Atemhauch, der es bis über den Tisch schaffte, ehe er sich auflöste. Er stand auf, langsam, als müsse er sich in Zeitlupe bewegen.

Sternberger musste noch etwas auf die Tafel geschrieben haben, das ihm zuvor entgangen war. „Der Schluss…“ hieß es dort.

Paul packte seine Sachen ein und ging näher an die Tafel. „Der Schluss ist meistens offen.“ Was sollte das bedeuten? Offen. Es gibt also kein Ende? Kein Happy End? Keine Auflösung.

Ein plötzlicher Beginn und keine Auflösung am Ende. Zum ersten Mal an diesem Tag, nein, in dieser Woche, musste Paul grinsen. Die Merkmale der Kurzgeschichte entsprachen nicht nur Sternbergers Schulstunden.

Eigentlich entsprachen sie dem ganzen Leben.

Schade, dass er das niemandem mitteilen würde. Es würde keiner zuhören wollen. Nur Gelächter, Blicke, kleine Zeichnungen auf Papier.

Das dunkle Brechen unter seinen Schritten begleitete seinen Gang durch den Schnee. Er klopfte an der Haustür, wo seine Oma die Arme ausbreitete. Ein kleiner Punkt auf der Schürze verriet ihm, dass es Gulasch geben würde. Das machte ihn glücklich.

„Gulasch!“, sagte er freudig.

„Weißt du, mein Paulchen“, sagte seine Oma. Ich glaube ich kennen keinen, der so gut beobachten kann wie du.“

Kurzgeschichte Analyse – Hier findest du die 10 Merkmale noch einmal anhand von dieser Kurzgeschichte:

1. Kurzer Text

Der Text ist knapp drei Seiten lang. ✔

2. Direkter Einstieg

Du steigst direkt in das Geschehen ein. ✔

3. Wenig Informationen über die Umwelt

Zu den einzelnen Personen gibt es keine umfassenden Informationen.✔

4. Alltagsthemen

Die Geschichte spielt sich in einem Klassenzimmer zwischen Lehrer und Schüler ab und behandelt die dort alltäglichen Probleme. ✔

5. Alltagspersonen

Lehrer und Schüler sind gewöhnliche Personen des Alltags. ✔

6. Ein Handlungsstrang

In der Geschichte gibt es nur einen Handlungsstrang und wenige Figuren, die darin vorkommen. Außerdem wird bloß eine Schulstunde und die kurze Zeit danach betrachtet. ✔

7. Personaler Erzähler

Der Autor nutzt die personale Erzählperspektive. ✔

8. Alltagssprache

Die verwendete Sprache wird so auch im täglichen Umgang genutzt. ✔

9. Pointe

Während es Paul zunächst Schwierigkeiten bereitet, sich in der Schule zu konzentrieren, stellt sich später heraus, dass er sehr wohl ein sehr aufmerksamer Mensch ist. ✔

10. Offenes Ende

Die Geschichte endet ohne eine weitere Auflösung. ✔

Übersicht Kurzgeschichte: zum Ausdrucken

Kurzgeschichte bunter Drucker Übersicht

Die Merkmale der Kurzgeschichte kannst du dir hier jetzt ganz bequem  Downloaden und Ausdrucken.

FAQ zum Thema Kurzgeschichte

Was ist wichtig bei einer Kurzgeschichte?

Du erkennst die Kurzgeschichte an verschiedenen Merkmalen. Es handelt sich um einen kurzen Text zumeist ohne Einleitung. Inhaltlich beschäftigt sich die Geschichte oft mit Alltagsthemen und Alltagspersonen. Dabei wird auch häufig von Alltags- oder Umgangssprache Gebrauch gemacht. Das Ende ist pointiert und wird offen gelassen, sodass du als Leser selbst weiterdenken kannst.

In welcher Zeit schreibe ich eine Kurzgeschichte?

Kurzgeschichten werden zwar häufig in der Vergangenheit geschrieben. Letztlich bleibt es aber ganz dir überlassen, für welche Zeitform du dich entscheidest.

Wie viele Seiten braucht man für eine Kurzgeschichte?

In der Regel sind Kurzgeschichten eine bis drei Seiten lang.

Wie wird Kurzgeschichte definiert?

Du kannst die Textsorte wie folgt definieren:

Die Kurzgeschichte ist eine literarische Gattung, die sich durch einen sehr kurzen Text auszeichnet. Der Inhalt dieser Prosaform wird auf das Wesentliche beschränkt. Häufig konzentriert sich die Kurzgeschichte auf Alltagssituationen, die allgemeingültige Wahrheiten darstellen. Die Textsorte hat ihren Ursprung übrigens in der amerikanischen Short Story.

Was ist der Wendepunkt in einer Kurzgeschichte?

Der Wendepunkt einer Geschichte ist die Stelle, an der überraschend neue Informationen oder Erkenntnisse ans Licht kommen, durch die sich die Geschichte in eine unerwartete Richtung verändert.

Hilft dir diese Übersicht dabei, die Kurzgeschichte von anderen Textsorten zu unterscheiden? Kennst du vielleicht noch weitere wichtige Merkmale der Kurzgeschichte?

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2 Kommentare zu „Merkmale einer Kurzgeschichte – Diese 10 musst du kennen!“

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